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"Sophie Scholl" von Barbara Beuys

Als ich wieder einmal den bei der Berlinale 2005 ausgezeichneten Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ mit Julia Jentsch gesehen hatte, nahm ich mir vor, mein Wissen zu dieser herausragenden Widerstandskämpferin zu vertiefen. Mit Barbara Beuys‘ Biografie habe ich eine lesenswerte Lektüre gefunden, die viele Hintergründe zum Leben und Wirken von Sophie Scholl sehr detailgetreu dokumentiert.

 

 

 

„Ich jedenfalls will nicht schuldig werden“

 

Vor hundert Jahren wurde Sophie Scholl geboren. Als Widerstandskämpferin gegen den deutschen Nationalsozialismus ging sie in die Geschichte ein. Zusammen mit ihrem Bruder Hans Scholl sowie gemeinsamen Freunden bildete sie die Widerstandsgruppe Weiße Rose und wurde aufgrund ihres politischen Engagements 1943 zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet. Barbara Beuys dokumentiert in ihrer umfassenden Biografie das Leben von Sophie Scholl und beschreibt sehr differenziert den Weg der Geschichtsikone von der jugendlichen NS-Führerin zur entschlossenen Gegnerin des Nationalsozialismus.

 

Dabei wirft die Autorin auch einen Blick auf die Familie und deren Wertvorstellungen und zeichnet das wahre Bild der Sophie Scholl. Sie dokumentiert viele historische Details und skizziert sehr ausführlich alle wichtigen Stationen auf dem Lebensweg von Sophie Scholl. Auch die letzten Ereignisse und die Hintergründe zur Hinrichtung von Sophie und Hans Scholl werden beschrieben – auch aus Sicht der Familie, die, nachdem die Eltern anonym über den Prozess informiert worden waren und ein letztes Mal mit ihren Kindern sprechen durften, schließlich aus der Zeitung von deren Enthauptung erfuhren.

 

Der Weg zur Weißen Rose

Der Weg in den Widerstand war keineswegs von Anfang an vorgezeichnet. Zunächst sympathisierten die ältesten Kinder der Scholl-Familie Inge und Hans mit Hitler und der NSDAP. Mit 13 Jahren trat auch Sophie im Januar 1934 in die Jungmädelschaft der Hitlerjugend ein und übernahm schon ein gutes Jahr später die Rolle einer Scharführerin bei den Jungmädeln. Die Geschwister Hans, Inge und Sophie wurden dabei von den einen für „ihre Fähigkeiten und Durchsetzungskraft“ bewundert, von anderen aufgrund ihrer „rigorosen Ansprüche“ gefürchtet (vgl. S. 150).

Mit Beginn des Krieges allerdings änderte sich Sophies Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus und so kritisierte sie beispielsweise die Tätigkeit ihres Verlobten Fritz Hartnagel als Soldat. Bald engagierte sie sich in der von ihrem Bruder Hans und dessen Freund Alexander Schmorell initiierten Widerstandsgruppe Weiße Rose.

Barbara Beuys dokumentiert diese Entwicklung sehr ausführlich und hat auch die Texte der Flugblätter, die die Gruppe heimlich verfasst, vervielfältigt und verteilt hat, in ihr Buch aufgenommen. Schon im ersten Flugblatt wurden die Mitglieder der Weißen Rose sehr deutlich: „Leistet passiven Widerstand […], verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine, ehe es zu spät ist, ehe die letzten Städte ein Trümmerhaufen sind, gleich Köln, und ehe die letzte Jugend des Volkes irgendwo für die Hybris eines Untermenschen verblutet ist.“ (S. 421f.) Im zweiten Flugblatt wurde u. a. die Ermordung von dreihunderttausend Juden thematisiert (S. 422)

 

Der Mensch Sophie

Neben der faktenbasierten Dokumentation der politischen Aktivitäten von Sophie und Hans Scholl öffnet die Autorin aber auch den Blick hinter die Kulisse der Person Sophie Scholl. Was hat sie als Mensch ausgemacht?

Sophie wurde in einer liberalen bürgerlichen Familie groß, in der es einen starken Zusammenhalt gab. Die Familie verehrte offenbar Schiller und vertrat den Grundsatz, dass niemand sich blind dem Schicksal beugen, sondern aus freiem Willen sein Leben gestalten könne. Sophie selbst schien – einer eigenen Aussage zufolge – ein sehr rationaler Mensch gewesen zu sein: „Ich aber finde, dass zuerst das Denken kommt, und dass die Gefühle oft irreleiten, weil man über dem Kleinen, das einen vielleicht unmittelbar betrifft, vielleicht am eigenen Leib, das Große kaum mehr sieht.“ (S. 271) Wie ihre Freundin Susanne Hirzel überliefert hat, prägte eine große Entschlusskraft Sophies Handeln: „Ich bin entschlossen, etwas zu tun. Wenn jeder nur eine Meinung hat gegen dieses System, aber nicht handelt, so macht er sich schuldig … Ich jedenfalls will nicht schuldig werden.“ (S. 446)

 

Fazit

Barbara Beuys ist mit ihrer Biografie von Sophie Scholl ein umfassendes Werk rund um das Leben und Wirken von Sophie Scholl gelungen, das neben den historischen Fakten auch anschaulich die Hintergründe und Persönliches beschreibt. Auch wenn die enthaltenen Zeitsprünge und wiederholten Verweise auf dieselben Ereignisse an manchen Stellen etwas verwirrend sind und sicherlich nicht jedes historische Detail relevant ist, um sich ein Bild der bekannten Widerstandskämpferin zu machen, lohnt sich die Lektüre auf jeden Fall und bietet ein abwechslungsreiches und anschauliches Zeitzeugnis.

 

 

Barbara Beuys: Sophie Scholl. Biographie. | Carl Hanser Verlag | 2010/12 | 559 S. | E-Book | ISBN: 978-3-446-24228-9

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