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"Achtsam morden" von Karsten Dusse

 

Wenn ich ganz ehrlich bin, war ich zunächst ein wenig skeptisch, als ich dieses Buch in den Händen hielt und Cover und Titel betrachtete. Schon das Lesen des Klappentexts machte mich dann aber neugierig und nachdem ich die ersten Seiten gelesen und bereits sehr viel gelacht hatte, musste ich „Achtsam morden“ von Karsten Dusse einfach zügig zu Ende lesen ...

 

 

 

 

Wie Yoga und Heavy Metal

 

Der erste Satz

„Eins vorweg: Ich bin kein gewalttätiger Mensch.“ Dieser erste Satz offenbart bereits den Widerspruch, auf dem der ganze Plot von „Achtsam morden“ beruht. Achtsamkeit und ein Gewaltakt? Passt auf den ersten Blick nicht zusammen. Autor und Rechtsanwalt Karsten Dusse schafft es dennoch, seinen Protagonisten Björn Diemel über mehr als 400 Seiten hinweg Ungeheuerliches erleben und tun zu lassen – und dabei schier übermenschliche Ruhe zu bewahren.

 

Darum geht es …

Cover und Titel lassen erst einmal auf einen Krimi schließen. Und doch grenzt sich Dusses Erstlingsroman von Anfang an von typischen Ermittlergeschichten ab. Björn Diemel, von der Arbeit gestresster Anwalt, wird von seiner Frau zur Teilnahme eines Achtsamkeits-Seminars genötigt und nimmt sich die Ratschläge seines Coachs nach anfänglichen Widerständen tatsächlich zu Herzen. Gerade die neu erlernte Achtsamkeit bringt ihn schließlich dazu, seinen ersten Mord zu begehen. Und es wird nicht bei diesem einen bleiben … Daraus macht der Ich-Erzähler gar keinen Hehl – der Leser weiß bereits nach den ersten Sätzen, woran er ist.

 

Achtsamkeits-Kurs inklusive

Ganz nebenbei bekommt man – immer als einleitende Lektion vor jedem Kapitel – ein Achtsamkeitstraining unter dem Motto „Entschleunigt auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte“ von Diemels Coach Joschka Breitner. Bevor man, je mehr Diemel sich in die Stricke von Großkriminellen verfängt, doch zu sehr von der Spannung mitreißen lässt, hat man die Möglichkeit, durchzuatmen, sich zu erden und zu entschleunigen.

 

Humorvolle Metaphorik

„Wie viele Referendarinnen sah sie aus wie eine Edelbratwurst und roch nach alter Tante.“ (S. 67) Von solchen Zitaten lebt das Buch. Dusse ist es gelungen, humorvoll und gleichzeitig treffend Bilder zu malen, die die Phantasie des Lesers anregen. Gelungen sind ihm auch kleine Details der Nebenhandlung. Auf die Idee, eine Plattform zur Anmeldung für Kindergartenplätze „kotz.de“ zu nennen, muss man erst einmal kommen …

 

Fazit

„Achtsam Morden“ ist von Anfang an Unterhaltung pur. Karsten Dusse gelingt es, durch seinen kurzweiligen Schreibstil und messerscharfe Pointen ein großartiges Lesevergnügen zu schaffen. Wer hätte es vor der Lektüre dieses Buches für möglich gehalten, dass die Beschreibung des Zerhäckselns eines Toten Tränen lachen lässt statt Entsetzen und Schrecken auszulösen.

 

Trotz allen Lobs gibt es zwei kleine Kritikpunkte: so hätte man sich die Dopplung der Breitnerschen Achtsamkeitslehre zu Beginn und dann als Wiederholung integriert in jedes Kapitel sparen können. Und im letzten Drittel des Buchs wird an manchen Stellen etwas zu dick aufgetragen. Dass der misstrauische Polizist eingehendere Untersuchungen fallenlässt, um einen Kindergartenplatz für seinen Sohn in der Einrichtung eines Kriminellen zu bekommen, scheint dann doch etwas konstruiert. Diese Punkte sind aber verzeihbar – hat es Dusse doch geschafft, ein schieres Paradox (Achtsamkeit und Tötungsdelikte) gekonnt aufzulösen und dabei grandios zu unterhalten. Das ist wie Yoga und Heavy Metal … Darauf sollte man sich einlassen.

 

Karsten Dusse: Achtsam morden. | Heyne Verlag | 10.06.2019 | 416 S. | Taschenbuch | ISBN: 978-3-453-43968-9

 

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