· 

"Die Marschallin" von Zora del Buono

„Zora del Buono hat von ihrer Großmutter nicht nur den Vornamen geerbt, sondern auch ein Familienverhängnis …“ Dieser erste Satz im Klappentext zum historischen Familienroman „Die Marschallin“ von Zora del Buono hat sofort mein Interesse geweckt. Und es hat sich gelohnt! Die Lektüre bot eine spannende Zeitreise, Geschichtsunterricht der anderen Art und die beeindruckende Darstellung des Lebens einer spannenden Persönlichkeit.

 

 

 

„Ich bin aber nicht dezent!“

 

Das ungeschönte Portrait einer eigenwilligen, starken Frau sowie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus – nicht weniger hat sich Zora del Buono mit ihrem Werk „Die Marschallin“ vorgenommen. In ihrem Roman zeichnet die Autorin – oft erstaunlich nüchtern und wertfrei – das Leben ihrer Großmutter Zora Del Buono von 1919 bis 1980 nach. Ein steiniger Weg zwischen Kriegen, Italien und Slowenien und prägenden Schicksalsschlägen, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. „Kommunismus ist Aristokratie für alle.“ Dieses Zitat ist der Familiengeschichte vorangestellt und beschreibt sehr gut den Widerspruch, in dem sich die alte Zora Del Buono befindet: Mit ihrem Ehemann Pietro, einem erfolgreichen Radiologieprofessor, genießt sie ein großbürgerliches Leben und engagiert sich, als Bewunderin Josip Broz Titos, gleichzeitig im Widerstand gegen den Faschismus Mussolinis. Ein Raubmord, in den Zora aufgrund ihrer politischen Aktivitäten 1948 verwickelt wird, gerät ihr und ihrer Familie zum Verhängnis. Die daraus resultierenden Geschehnisse lassen sie bis zum Lebensende nicht mehr los. In ihrem eindrucksvollen Schlussmonolog lässt die Autorin ihre Großmutter die Vergangenheit auf ergreifende Weise Revue passieren. Selbstbewusstsein vermischt sich mit Härte und Bitterkeit – in Frieden abschließen sieht anders aus.

 

Ebenso vielschichtig wie die Persönlichkeit der bewunderten wie gefürchteten Zora Del Buono war, gestaltet sich der Roman der Enkelin. Neben der ausführlichen Beschreibung der politischen Begebenheiten werden Themen wie mangelnde Mutterliebe und eine fast krankhafte Ablehnung alles Weiblichen verhandelt. Es lässt tief blicken, wenn eine Mutter, die als Kind selbst – wenn auch nur vorübergehend – von der Mutter verlassen wurde, die eigenen Söhne nicht beim Namen nennt, sondern ihnen Nummern vergibt und keine Schwiegertöchter, Schwägerinnen oder andere Frauen neben sich duldet. Sehr anschaulich sind aber auch die Beschreibungen der Neben-Charaktere wie beispielsweise die der Tante Otilija.

 

Es ist mutig, dass die Autorin, die beim Tod ihrer Großmutter gerade 18 Jahre alt war, vierzig Jahre später ein Buch über ihre Familiengeschichte veröffentlicht und sich mit dem, was in der Familien-DNA verborgen ist, derart schonungslos auseinandersetzt.

 

Sich in einer Zeit, in der das Patriarchat noch einen entsprechenden Stellenwert hatte, als Frau zu behaupten, wie es Großmutter Zora getan hat, verdient Bewunderung. So heißt es „Wenn Zora etwas sagte, galt das. Zora war das Gesetz.“ (S. 306) Liebenswert war sie in ihrer radikalen und anderen Frauen oft feindlich gesinnten Art wahrscheinlich aber nur für wenige. „Ich bin aber nicht dezent!“ ist einer ihrer Ausrufe aus dem Abschlussmonolog und beschreibt vielleicht den Grund, weshalb sich die Enkelin selbst viele Jahre nach ihrem Tod mit dem, was die Großmutter umgab, auseinandersetzt. Auch wenn es nicht nur Gutes war – die alte Zora Del Buono hat etwas bewirkt. Und ihre Enkelin auch – mit ihrem überzeugenden Roman. Vielleicht gelingt es der Autorin damit, für ihre Großmutter, aber auch für alle Nachfahren von Zora Del Buono Frieden zu finden.

 

Vielen Dank an den Verlag C.H.Beck für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

 

Zora del Buono: Die Marschallin. | Verlag C.H.Beck | 16.07.2020 | 382 S. | Hardcover | ISBN: 978-3-406-75482-1

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0