"Totenlied" von Tess Gerritsen

Zugegebenermaßen war ich zunächst skeptisch, nachdem ich den Klappentext von Tess Gerritsens „Totenlied“ gelesen hatte. Für meinen Geschmack klang die Handlung zu mystisch. Letztendlich war sie das aber nicht und die Lektüre fesselte mich von Anfang an – aufgrund der gut gezeichneten Charaktere, des spannenden Plots und der geschichtlichen Aspekte.  

 

 

 

 

Das Lied vom Tod

 

Eine Konzertreise führt die amerikanische Violinistin Julia Ansdell nach Italien. In einem Antiquariat in Rom erwirbt sie ein über hundert Jahre altes Notenbuch, das – neben Zigeunerweisen – eine handgeschriebene bislang völlig unbekannte Walzerkomposition enthält. Fasziniert von der besonderen Melodie versucht Julia, sich das Stück des unbekannten Komponisten anzueignen. Aber jedes Mal, wenn sie „Incendio“ spielt, ereignen sich merkwürdige Dinge. Julia spürt, dass offenbar etwas Bösartiges von dem Walzer ausgeht und reist schließlich noch einmal nach Italien, um dem Geheimnis des bewegenden Musikstücks auf den Grund zu gehen. Plötzlich befindet sie sich in großer Gefahr …

 

Die Kraft der Musik ist das zentrale Thema des Thrillers „Totenlied“ von Tess Gerritsen. „Incendio“ scheint das Wesen von Julias dreijähriger Tochter Lily auf verstörende Weise zu verändern. Wie kommt es, dass das bislang liebenswerte Mädchen den Familienkater ersticht und Julia mit einer Glasscherbe verletzt? Die Tragödien ereignen sich seltsamerweise beide, während Julia „Incendio“ spielt. Von nun an lebt Julia in Angst und sucht mit Lily verschiedene Ärzte und Psychologen auf: Julias Mutter war psychisch krank und in Julia wächst die Sorge, dass diese Krankheit möglicherweise an Lily vererbt wurde. Parallel versucht sie, die Hintergründe zum rätselhaften Musikstück und seinem Komponisten zu erforschen und macht sich – ohne das Wissen ihrer Familie – erneut auf die Reise nach Italien.

 

 Spannende Zeitsprünge und bewegende Schicksale

„Totenlied“ besteht aus zwei Handlungssträngen: Neben der aktuellen Erzählung um Julia entführt Tess Gerritsen den Leser nach Italien zur Zeit Mussolinis. Es geht um Antisemitismus und Judenverfolgung, aber auch um eine tragische Liebesgeschichte. Sukzessive wird klar, vor welchem Hintergrund „Incendio“ komponiert wurde und welche Spuren die Musik bis in die Gegenwart hinterlassen hat. Gerade durch die Berücksichtigung der historischen, offenbar gut recherchierten Details hebt „Totenlied“ sich von anderen Thrillern ab und führt auch zur Frage, ob die Einordnung in dieses Genre hier überhaupt zutreffend ist. Letztlich ist die Antwort darauf aber zweitrangig. Tess Gerritsen ist es auf jeden Fall gelungen, ihren Protagonisten Tiefe zu verleihen und sie so gestalten, dass sie die Sympathie des Lesers schnell gewinnen.

 

Fazit

Auch wenn „Totenlied“ an manchen Stellen etwas unrealistisch und konstruiert wirkt, schafft die Autorin ein durchgängig kurzweiliges und spannendes Lesevergnügen, in das sie gekonnt das historisch wichtige Thema der Judenverfolgung einbaut. Die gesamte Handlung ist logisch aufeinander aufgebaut und auch Randgeschichten werden am Ende geschickt zusammengeführt und aufgelöst. Bemerkenswert in ist zudem, dass Tess Gerritsen das zentrale Musikstück „Incendio“ eigens komponiert hat. „Totenlied“ ist ein Credo für die Kraft der Musik, die Menschenleben überdauern kann.

 

Tess Gerritsen: Totenlied. Deutsch von Andreas Jäger. | L!MES Verlag | 2016 | 316 S. | Taschenbuch | ISBN: 978-3-8090-2670-9

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0